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Journal Club

Journal Club by SWISS KNIFE

Meta-Analyse 

«Randomized clinical trials comparing antibiotic therapy with appendicectomy for uncomplicated acute appendicitis: meta-analysis» 

PJJ Herrod, AT Kwok, DN Lobo BJS Open. 2022. DOI: 10.1093/bjsopen/zrac100.

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Hintergrund 

Die Appendektomie bildet seit ihrer Erstbeschreibung den Grundstein der Behandlung der akuten Appendizitis. Seit jedoch die erfolgreiche Appendizitis-Behandlung mittels Antibiotika (AB) beschrieben wurde, ist in den letzten Jahren die chirurgische Therapie in verschiedenen randomisiert-kontrollierten Studien (RCT) mit der konservativen Behandlung mittels AB verglichen worden1 . Trotz vielversprechender Resultate der AB-Therapie in diesen Studien bleibt die chirurgische Therapie weltweit die Standardbehandlung der unkomplizierten Appendizitis. Ziel dieser Meta-Analyse war die Synthese aller RCTs, welche die chirurgische Therapie mit der ABTherapie der unkomplizierten akuten Appendizitis verglichen.

Methoden 

In den Datenbanken MEDLINE, Embase und CENTRAL wurden alle RCTs bis Oktober 2021 gesucht, welche die AB-Therapie mit der Appendektomie bei unkomplizierter Appendizitis beim Erwachsenen verglichen. Studien von pädiatrischen Patient:innen (< 16 Jahre) bzw. mit komplizierter Appendizitis wurden ausgeschlossen. Als primärer Endpunkt wurden die Komplikationsrate der jeweiligen Behandlungen während des ersten Jahres nach Diagnose definiert. Als sekundäre Endpunkte wurden die Behandlungseffektivität (in der AB-Gruppe definiert als keine chirurgische Appendektomie innerhalb eines Jahres versus in der Chirurgie-Gruppe eine Operation ohne Komplikation bzw. ohne negative Histologie), ReHospitalisationsrate, Lebensqualität und Liegedauer ausgewertet. Das Bias-Risiko wurde für alle eingeschlossenen Studien mit dem «Cochrane Collaboration’s Risk of Bias Tool» evaluiert.

Im Format Journal Club diskutieren wir kürzlich erschienene und alltagsrelevante Publikationen. Über weitere Einsendungen an die oben genannten Autor:innen würden wir uns freuen.

Ergebnisse 

Acht RCTs mit 3’203 Patienten (1’613 AB-Gruppe / 1’590 Chirurgie-Gruppe) wurden eingeschlossen. Vier Studien hatten ein niedriges Risiko für Bias, zwei ein mässiges Risiko und zwei ein hohes Bias-Risiko.

Für den primären Endpunkt, die Komplikationsrate im ersten Jahr, fand sich kein signifikanter Unterschied zwischen der AB-Gruppe (8.9%) und der Chirurgie-Gruppe (10.9%) ((Risk Ratio(RR) 0.66 (95% CI 0.41 bis 1.04; P=0.07)). Die Antibiotikabehandlung war innerhalb des ersten Jahres bei 63% erfolgreich, die Appendektomie bei 92% aller Patienten. Dementsprechend hatten AB im Vergleich zur Appendektomie eine signifikant reduzierte Behandlungseffektivität (RR 0.75, 95% CI 0.63 bis 0.89; P= 0.001). Bei der initialen Spitalliegedauer fand sich kein Unterschied zwischen den zwei Gruppen (mean difference 0.15 Tage (95% CI −0.05 bis 0.35).

Im Vergleich zur Chirurgie-Gruppe (3%) war die Re-Hospitalisationsrate bei der AB-Gruppe (18%) 6 x erhöht (RR 6.28, 95% CI 2.87 bis 13.74; P<0.001). Die Lebensqualität wurde bei zwei Studien rapportiert: Bei beiden Studien fand sich kein Unterschied in der Lebensqualität nach 30 Tagen. Jedoch zeigte eine Studie signifikant bessere Lebensqualität der appendektomierten (0.976) im Vergleich zu den erfolgreich antibiotisch behandelten Patient:innen (0.888 ; P<0.01) und eine noch grössere Diskrepanz zu den erfolglos antibiotisch behandelten Patient:innen (0.303), welche eine Operation im Verlauf benötigten. Bei Patient:innen mit erfolgloser AB-Therapie zeigt sich zudem ein doppelt so hohes Risiko der komplizierten Appendizitis als in der Chirurgie-Gruppe (24% vs. 12%, (RR 2.19, 95% CI 1.19 bis 4.05, P=0.01)

Diskussion 

Im Vergleich zu vorhergehenden Meta-Analysen von RCTs1 zeigt sich nach Einschluss dreier kürzlich publizierter grosser Studien2–4  ein deutlicher Vorteil der Appendektomie im Vergleich zur ABTherapie. Während sich keine Unterschiede in der 1-Jahres-Komplikationsrate finden, ist die Appendektomie als Therapie deutlich erfolgreicher und mit weniger Re-Hospitalisationen vergesellschaftet. Als wichtiger Punkt zeigt sich zudem in der AB-Gruppe nach erfolgloser AB-Therapie ein doppelt so hohes Risiko einer komplizierten Appendizitis.

Während frühere RCTs einen relevanten Anteil an Patienten nach offener Appendektomie einschlossen und eine erhöhte Rate an Komplikationen in der Chirurgie-Gruppe aufwiesen, wurden in den drei neuen RCTs über 90% der Appendektomien laparoskopisch durchgeführt (100%, 96% und 90%)2–4. Dementsprechend spiegeln sich vermutlich auch die Vorteile der minimal-invasiven Chirurgie mit einer reduzierten Komplikationsrate und kürzerer Aufenthaltsdauer in der aktuellen Meta-Analyse wider.

Es gibt diverse Arbeiten, die evaluierten, welche Subpopulation anhand radiologischer bzw. laborchemischer Parameter für eine nicht-operative Therapie der Appendizitis geeignet ist. Voraussetzung für eine erfolgreiche AB-Therapie waren niedrige Infektwerte (CRP < 60 g/L, Leukozyten < 12 x 109/L), jüngeres Patientenalter (< 60 Jahre) und schmalerer Appendixdurchmesser5 . Als gewissermassen gesondertes Krankheitsbild der Appendizitis wird die Subgruppe an Patienten mit Appendikolith gesehen. Dieses Patientengut weist ein erhöhtes Risiko für Perforationen und Versagen der AB-Therapie auf und wurde in einzelne Studien der aktuellen Meta-Analyse miteingeschlossen6 . Dementsprechend könnte argumentiert werden, dass diese Patient:innen für eine AB-Therapie ungeeignet sind, primär operiert werden sollten und die Resultate der AB-Gruppe ins Negative beeinflusst haben könnten. Nichtsdestotrotz besteht Einigkeit bei drei Nachteilen der AB-Therapie: 1. zeigt sich ein deutlich reduzierter Behandlungserfolg (in der aktuellen Studie bei 37% nach einem Jahr), 2. eine deutlich erhöhte Re-Hospitalisationsrate (6 x!) und 3. ein doppelt so hohes Risiko nach erfolgloser AB-Therapie, im Verlauf an einer komplizierten Appendizitis zu erkranken. Patient:innen müssen über diese Vor-bzw. Nachteile der AB-Therapie im Rahmen des SharedDecision-Making-Prozesses informiert werden. Wenn es um den Patientenwunsch geht, zeigte eine Umfrage bei 1’738 Patienten mit unkomplizierter Appendizitis bereits vor den Ergebnissen der aktuellen Analyse, dass sich nur 10% der Patient:innen für eine nicht-operative Therapie entscheiden würden7 . Dieser Prozentsatz wäre mit dem Wissen der hier präsentierten Meta-Analyse sehr wahrscheinlich nochmals deutlich geringer. Dementsprechend kann geschlussfolgert werden, dass der Goldstandard der unkomplizierten Appendizitistherapie auch in Zukunft chirurgisch bleibt.

Referenzen
  1. Rollins KE, Varadhan KK, Neal KR, Lobo DN. Antibiotics versus appendicectomy for the treatment of uncomplicated acute appendicitis: an updated meta-analysis of randomised controlled trials. World J Surg. 2016;40:2305–2318 
  2. Ceresoli M, Pisano M, Allievi N, et al. Never put equipoise in appendix! Final results of ASAA (antibiotics vs. surgery for uncomplicated acute appendicitis in adults) randomized controlled trial. Updates Surg. 2019;71: 381–387 
  3. CODA Collaborative, Flum DR, Davidson GH, et al. A randomized trial comparing antibiotics with appendectomy for appendicitis. N Engl J Med. 2020;383:1907–1919 
  4. O’Leary DP, Walsh SM, Bolger J, et al. A randomized clinical trial evaluating the efficacy and quality of life of antibiotic-only treatment of acute uncomplicated appendicitis: results of the COMMA trial. Ann Surg. 2021;274:240–247 
  5. Hansson J, Khorram-Manesh A, Alwindawe A, et al. A model to select patients who may benefit from antibiotic therapy as the first line treatment of acute appendicitis at high probability. J Gastrointest Surg. 2014;18:961–967 
  6. Mallinen J, Vaarala S, Makinen M, et al. Appendicolith appendicitis is clinically complicated acute appendicitis-is it histopathologically different from uncomplicated acute appendicitis. Int J Colorectal Dis. 2019;34:1393–1400 
  7. Hanson AL, Crosby RD, Basson MD. Patient preferences for surgery or antibiotics for the treatment of acute appendicitis. JAMA Surg. 2018;153:471– 478
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